Vom Kartenzählen zum Ziegenparadoxon
Sonntagabend, 03.04.2011, 20:15 Uhr in Deutschland.
Eigentlich hätte ich mir auch den Berliner "Tatort" angesehen - fand allerdings folgenden Film auf Pro Sieben viel verlockender:
"21" - 2008
Zum Hintergrund des Films sagt Wikipedia folgendes:
Zitat:
"21" ist ein US-amerikanisches Filmdrama aus dem Jahr 2008. Der Film basiert auf dem journalistischen Sachbuch Bringing Down the House von Ben Mezrich, wobei die Buchvorlage nur sehr lose in die Handlung des Films übernommen wurde. Das Buch basiert auf den Aktivitäten eines der verschiedenen MIT Blackjack Teams, welche von 1979 an bis in dieses Jahrhundert hinein mit Kartenzählen beim Black-Jack-Spiel die Casinos dieser Welt bereisten und große Gewinnsummen erspielten.
Für die Handlung verweise ich ebenfalls auf die Darstellung bei Wikipedia:
Zitat:
Ben Campbell ist ein überragender Student am Massachusetts Institute of Technology, der Geld braucht, um sein Medizinstudium an der Harvard University zu finanzieren. Da kommt ihm das Angebot seines Mathematikprofessors Micky Rosa gerade recht, der die talentiertesten Schüler der Fakultät rekrutiert. Unter Führung dieses Professors erlernt Ben das Kartenspiel Black Jack und dass man es berechnen kann. So fliegt die Gruppe jedes Wochenende nach Las Vegas und spielt dort unter falschem Namen in diversen Casinos Karten. Durch Kartenzählen und eine spezielle Zeichensprache gewinnen sie so hohe Summen Geld. Verführt vom Reichtum, dem bunten Leben in Las Vegas und der Möglichkeit, mit seiner intelligenten und hübschen Teamkameradin Jill Taylor eine Beziehung aufzubauen, erhöht Ben seine Einsätze immer weiter. Nach einem Streit mit seinen früheren besten Freunden kommt es dazu, dass Ben sich eines Abends nicht auf sein rationales Denken verlässt, sondern auf einen Schlag zweihunderttausend Dollar verliert. Dies führt zum Disput mit dem Anführer der Gruppe, welcher das verspielte Geld von Ben zurückfordert. Ben weigert sich allerdings. Professor Rosa fährt sodann scheinbar allein nach Boston zurück und lässt die vier Studenten in Vegas zurück. Die Gruppe beschließt nun unter der neuen Leitung von Ben ohne ihren alten Anführer weiterzuspielen.
Auch wenn das Kartenzählen nicht illegal ist, gerät Ben immer mehr unter die Beobachtung von Cole Williams, welcher sich gegen diese Art des strategischen Spielens verschrieben hat, da es die Casinos in den finanziellen Ruin treiben kann. An jenem Abend, nachdem Professor Rosa anonym Ben an Cole verraten hat, schlägt dieser nun zu und schlägt Ben zusammen. Als Williams erfährt, dass Ben aus Boston kommt, wittert er seinen damaligen Erzfeind Micky Rosa, welcher zu Beginn von Williams Karriere bereits für einen finanziellen Einbruch eines Casinos sorgte, was zur Kündigung von Williams führte.
Nach der Rückkehr nach Boston bemerkt Ben, dass Rosa ihm sein gesamtes erspieltes Vermögen gestohlen und ihn in einer wichtigen Vorlesung hat durchfallen lassen. Bens Perspektiven scheinen sich zunehmend in Luft aufzulösen, da sowohl sein Abschluss am MIT als auch sein weiterer Werdegang an der Universität Harvard gefährdet sind. Er schlägt daher Micky einen letzten Coup vor, nämlich in einer Nacht verkleidet zusammen das Casino leerzuräumen. An besagtem Abend schlägt Williams zu und fasst Rosa. Ben kommt mit einem blauen Auge davon, da er dieses Vorgehen mit Williams zuvor abgesprochen hatte. Er muss lediglich seinen erspielten Gewinn an Williams übergeben, bekommt aber seinen MIT-Abschluss. Außerdem haben seine Freunde, mit denen er sich zuvor versöhnt hatte, in der ganzen Aufregung unauffällig Karten gezählt und eine große Geldsumme erspielt. Für das Harvard-Stipendium führt er nun seine Erfahrungen in Las Vegas an, um den Stipendiums-Juror durch sein aufregendes Leben nachhaltig zu beeindrucken.
Ein Film, der die Technik des Card-Counting als Handlungs-Strang benutzt - das klingt für jeden Casinospieler nach einem hochinteressanten Film-Thema.
Ich kenne die originale, halbdokumentarische Buchvorlage (nämlich "Bringing down the house" von Ben Mezrich) nicht - war aber enttäuscht über die filmische Umsetzung, welche eine Unzahl von logischen Löchern, Ungereimtheiten und Unterstellungen aneinanderreiht.
Als da wären....(dazu muß man den Film wohl aber gesehen haben):
1.
Der Film gibt vor, daß die Handlung Mitte oder gar Ende der 90er Jahre spielt - dort beginnt und auch endet.
Tatsächlich ist es wohl so, daß die Blackjack MIT Teams von ca. Ende der 70er Jahre bis Anfang des neuen Jahrtausends Bestand hatten.
Ich hatte schon beim Anschauen des Films größere Probleme mit der Vorstellung, daß die Card Counting Strategie von Ed Thorpe ca. 30 Jahre unangetastet und unausgenutzt bleiben sollte. Da erscheint mir die zeitliche Darstellung im Buch plausibler.
2.
Der mathematische Hintergrund des Card Counting wird im Film eigentlich nicht erklärt. Die Ausführung der Strategie dagegen schon - Zehnerkarten (Bilder) und abweichende Kartenwerte zu einem imaginären "Count" zusammenzuführen. Ohne sehr tief in der Materie des Card Counting drin zu stecken, bin ich mir sicher, daß im Film nur eine sehr vereinfachte Strategie gezeigt wurde (möglicherweise das Original von Ed Thorpe) - das kann nicht die Strategie gewesen sein, mit der das MIT-Team auch 40 Jahre später noch Erfolge feierte.
3.
Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, daß die "Einladungszeichen" (um an den Tisch zu kommen...) so simpel und offensichtlich - und darüberhinaus immer die gleichen waren.
4.
Es wird so getan im Film, als ob das eigentliche Zählen des Counts das große Problem darstellt - eine Leistung, die eigentlich schon Achtklässler zustandebringen sollten.
Die Herausforderung ist wohl eher, dies unter Belastung in einer möglicherweisen lauten, aufgeheizten und verwirrenden Casino-Atmosphäre zu erledigen - und das auch noch absolut unauffällig.
5.
Die Prügel-Szenen der Casino Security - sorry, die können nur der Gier des Kinopublikums nach Action geschuldet sein. In Wirklichkeit wurden die Mitglieder des MIT-Teams mal irgendwann mit Hausverbot in den jeweiligen Casinos bestraft - es wurde ihnen aber niemals ein Haar gekrümmt. Wir sind doch nicht mehr im Vegas der 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts... Im Interesse der Glaubwürdigkeit hätte ich die Prügelszenen im Film weggelassen.
6.
Die Funktion der "Spotters" im Film ist mir nicht vollständig klar.
Zum Verständnis: Die "Spotters" sind diejenigen Mitglieder des Teams, die an den Tischen Minimum-Einsätze tätigen, den "Count" mitzählen - und die "big player" bei einem günstigen "Count" per Handzeichen an den Tisch einladen sollen.
Bis zum Erscheinen des "big player" ist die Funktion des "Spotters" klar - aber warum muß er nach Erscheinen des "big player" am Tisch spielend verweilen - und soll dem "big player" sogar des "Abkühlen" des Counts mitteilen - wo dieser doch selber mitzählt???
Bestimmt ein Logik-Fehler im Film - schließlich ist es ja nutzbringender, den Spotter auf die Suche nach anderen Möglichkeiten im Saal zu schicken...
Fazit:
Die Aufzählung der logischen Ungereimtheiten ist bei weitem nicht erschöpfend - vielleicht kann jemand mehr dazu beitragen? Vieles mag den dramaturgischen Anforderungen eines Films geschuldet sein (Gewalt gegen Ben...oder die eingebaute Liebesgeschichte) - trotzdem hätte ich mir bei der Umsetzung des Films mehr Genauigkeit gewünscht. Insbesondere bei 35 Mio. USD Produktionskosten...
Den Film sollte man wegen der seltenen Thematik mal gesehen haben - ein besonderes Film-Juwel ist er leider nicht.