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    Standard SPIEL UND WISSENSCHAFT

    SPIEL UND WISSENSCHAFT ,

    von Dr. JÖRG BEWERSDORFF



    Spiele sollen uns unterhalten, uns für einen Augenblick aus unserem Alltag in eine andere Welt entführen und dort Spaß bereiten, vielleicht garniert mit etwas Nervenkitzel. Daß Spiele darüber hinaus ganz ernsthafte wissenschaftliche Untersuchungen ausgelöst haben, davon soll hier die Rede sein. Aber keine Angst – wir wollen die Sache spielerisch angehen!



    Noch heute gehören Zufall und Wahrscheinlichkeit zu den Erscheinungen, die oft falsch gedeutet werden. Daß zumindest die Wissenschaft gelernt hat, mit diesen Begriffen objektiv umzugehen, verdankt sie einer Entwicklung, die im 17. Jahrhundert mit der Untersuchung von Glücksspielen begann: Gefragt wurde zunächst danach, wer in einem bestimmten Glücksspiel im Vorteil ist und wie ausgeprägt dieser Vorteil ist. Oder danach, welcher Einsatz im Vergleich zu den gebotenen Gewinnchancen eines Glücksspiels fair ist. Zur Beantwortung solcher Fragen erdachten Mathematiker wie Fermat, Pascal, Bernoulli und Laplace ein Maß für zufällige Ereignisse, die sogenannte Wahrscheinlichkeit. So, wie man Strecken auf ihre Länge messen und damit untereinander vergleichen kann, so lassen sich auch zufällige Ereignisse messen und damit untereinander vergleichen – im einfachsten Fall wird schlicht das Ereignis des Gewinns mit dem des Verlusts verglichen.



    Gemessen werden kann die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses in der Praxis einfach durch eine möglichst lange Versuchsreihe des zugrundeliegenden Experiments: soll beispielsweise für einen speziellen WÜRFEL gemessen werden, wie wahrscheinlich es bei ihm ist, eine Sechs zu erzielen, so generiert man mit diesem Würfel eine Serie von Wurfergebnissen. Nehmen wir nun an, daß in 6000 Würfen 1013 Sechsen erzielt werden. Dann entspricht das einem Messergebnis von 1013/6000 = 0,1688 für die gesuchte Wahrscheinlichkeit. Eine neue Versuchsreihe wird sicher nicht das gleiche Messergebnis, wohl aber einen ähnlich großen Wert liefern – auf Basis dieser allgemeinen Erfahrungstatsache wird das Messverfahren überhaupt erst sinnvoll. Und nicht zuletzt kann auf diese Weise auch die Symmetrie eines Würfels experimentell bestätigt werden: dazu müssen bei genügend langen Versuchsreihen die Messergebnisse für die Wahrscheinlichkeiten der sechs Würfelwerte annährend gleich ausfallen.



    Übrigens betraf eins der zuerst von Fermat und Pascal untersuchten Probleme die Wette, in vier Würfelversuchen mindestens eine Sechs zu werfen. Ist bei dieser Wette der Gewinn etwas wahrscheinlicher als der Verlust, so ist es bei der scheinbaren Übertragung auf zwei Würfel, bei dem in 24 Versuchen zumindest einmal die Doppel-Sechs erzielt werden soll, genau umgekehrt.



    Um solche Sachverhalte, die sich natürlich auch rein empirisch in langen Spielserien am Spieltisch erfahren lassen, zu erklären oder sogar a priori vorherzusagen, fanden die beteiligten Mathematiker Formeln, die es zum Beispiel erlauben, komplizierte Situationen mit mehreren Würfeln oder längeren Wurfsequenzen rechnerisch auf einfache Versuchsanordnungen mit nur einem einzelnen Würfelwurf zurückzuführen. Mit solchen Formeln lassen sich dann "ganz einfach" die Gewinnchancen der beiden angeführten Wetten berechnen:









    Die anfänglich übliche Bezeichnung der "GLÜCKSSPIEL-THEORIE" haben die Mathematiker längst durch den "seriöseren" Begriff "Wahrscheinlichkeitstheorie" ersetzt. Das ist auch insofern konsequent, da sich heute die wenigsten Anwendungen auf die Glücksspiele beziehen: ob bei der Kalkulation von Versicherungen, bei der Deutung von klinischen Medikamententests oder der Auswertung von Meinungsumfragen, immer bilden die zuerst anhand von Glücksspielen erkannten Gesetzmäßigkeiten des Zufalls die unverzichtbare Grundlage.



    Wer aber will, findet auch bei Spielen genügend Betätigungsmöglichkeiten, ob beim "MONOPOLY", um dort das 48-prozentige Übergewicht der "Opernplatz"-Besuche gegenüber der "Parkstraße" zu erklären oder beim Black Jack, bei dem zu Beginn der sechziger Jahre der Mathematikprofessor Edward Thorp die Casinowelt mit seinen Computerberechnungen überraschte: variiert der Spieler seine Ziehstrategie anhand der bereits "verbrauchten" Karten, kann er – sofern er seine Umsetzung in die Praxis mit äußerster Konzentration und Fehlerlosigkeit vollzieht – den Vorteil des Casinos geringfügig überwinden. Wer sich selbst davon überzeugen will: bereits ein Tabellenkalkulationsprogramm (und genügend Muße) reicht aus, die Berechnungen durchzuführen.



    Aber nicht nur konkrete Berechnungen sind angebracht. Auch in rein qualitativer Hinsicht besteht noch heute ein erheblicher Bedarf an Aufklärung über immer wieder auftretende Missverständnisse in Bezug auf Glücksspiele: der häufigste Irrtum betrifft das sogenannte "GESETZ DER GROßEN ZAHLEN", das für die relativen Häufigkeiten in Versuchsreihen Trends vorhersagt, wobei die Sicherheit solcher Prognosen mit zunehmender Länge steigt. Dazu bedarf es aber, wie schon Bernoulli erkannte, keineswegs eines irgendwie gearteten "AUSGLEICHS". Denn selbst, wenn beim Roulette zehnmal hintereinander Rot erscheint, reichen bei den nächsten 10 Coups bereits 6 rote und 4 schwarze Zahlen, um den Anteil roter Zahlen von 100% auf 80% zu drücken – ohne jeden "Ausgleich" im Sinne eines zum vormaligen Übergewicht gegenläufigen Trends. Der Zufall braucht eben kein "Gedächtnis" und die Roulettekugel hat auch keins!



    Noch verwunderlicher ist das Tipp-Verhalten beim LOTTO, wo statistische Auswertungen – übrigens übereinstimmend in verschiedenen Ländern – ergeben haben, dass bestimmte Zahlen und Zahlenkombinationen wie zum Beispiel 7, 13, 19, 25, 31, 37 stark bevorzugt werden. Dabei werden in Deutschland einige Sechser-Kombinationen jede Woche mehrere zehntausendmal getippt! Natürlich ist eine solche, regelmäßige Kombination unter dem Blickwinkel der Gewinnwahrscheinlichkeit nicht schlechter als irgendeine andere. Aufgrund ihrer häufigen Verwendung bietet sie aber praktisch keine Chance, je einen Millionen-Gewinn zu erzielen.



    Neben den reinen Glücksspielen hat die Welt der Spiele der Wissenschaft aber auch noch eine weitere Vorlage geliefert: wie können die Entscheidungsmöglichkeiten eines Spielers gegeneinander abgewogen werden, wenn die Spieler – anders als beim Roulette oder Black Jack – mit echter Interaktion wie beim Schach, Poker oder Baccarat gegeneinander agieren? Im Gegensatz zum Black Jack ist es dann nämlich nicht mehr unbedingt möglich, Spieler-Entscheidungen allein aufgrund langfristig zu erzielender Gewinnchancen zu optimieren. Man denke nur an ein so simples Spiel wie "PAPIER-STEIN-SCHERE": keine Entscheidung ist objektiv, und sei es auch nur auf lange Sicht, besser als die andere. Welche Entscheidung im konkreten Fall den Gewinn bringt, hängt nämlich einzig von der gegnerischen Spielweise ab.



    Immerhin erlauben Zwei-Personen-Brettspiele wie Schach, Mühle und Go absolute Optimierungen von Spielzügen. Das heißt, Züge lassen sich unabhängig von der gegnerischen Spielweise objektiv miteinander vergleichen. Dabei konnte das im Vergleich zu Schach und Go relativ einfache Mühle 1994 sogar vollständig mit Hilfe von Computern analysiert werden: kein Spieler, ob mit weißen oder schwarzen Steinen, muss verlieren, wenn er nur fehlerfrei spielt. Mühle ist also ein faires Spiel – wie natürlich auch Schach, wenn man zwei Partien mit wechselndem Anzugsrecht spielt. Auch dort verliert nur derjenige, der in zumindest einer der beiden Partien einen Fehler gemacht hat – so wie es sich für ein als intellektuellen Wettkampf gedachtes Spiel auch gehört.



    Deutlich komplizierter wird es, wenn jeder Spieler jeweils nur ihm bekannte Karten in seinen Händen hält. So erkannte bereits der adlige Spieler Waldegrave zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts, daß beim Spiel "LE HER", das wir uns als eine Art vereinfachtes Baccarat vorstellen können, gewisse Spielentscheidungen wie bei "Papier-Stein-Schere" nur unter Bezug auf die als bekannt vorausgesetzte Spielweise des Gegners optimiert werden können. Und im wissenschaftlichen Disput entwickelte Waldegrave sogar einen Ausweg, der für allgemeine Zwei-Personen-Spiele erst über 200 Jahre danach durch John von Neumann, der später auch das Konstruktionsprinzip heutiger Computer ersann, gefunden wurde: um ein frei von der gegnerischen Spielweise optimales Entscheidungsverhalten zu erzielen, wird die einzelne Entscheidung zufällig "ausgewürfelt", das heißt in einem zuvor festgelegten Rahmen zufällig variiert. Das führt dazu, dass ein solchermaßen optimal verhaltender Spieler sich in ein und derselben Spielsituation mal so und mal anders verhält, eine – wie schon von Neumann erkannte – beim "Bluff" im POKER traditionell praktizierte Verfahrensweise, die somit ihre mathematische Begründung erhielt.



    Mit seinen Untersuchungen begründete John von Neumann eine neue mathematische Disziplin, die sogenannte "SPIELTHEORIE". Wirkliche Spiele werden dabei nur selten untersucht, und so sprechen Spieltheoretiker manchmal auch lieber von "interaktiver Entscheidungstheorie", deren Anwendungen sie bei ökonomischen Prozessen wie Versteigerungen und Wettbewerbssituationen sehen. Trotzdem konnten viele prinzipielle Erscheinungen, wie sie gerade auch in Mehrpersonenspielen auftreten, mit den Methoden der Spieltheorie grundlegend untersucht werden: dazu gehören insbesondere die verschiedenen Formen offener oder indirekter Kooperation und des dazu ggf. notwendigen Informationsflusses, wie er implizit beispielsweise in der Bietphase des BRIDGE praktiziert wird. Deutlich wurde aber auch, daß in den meisten Drei- und Mehrpersonenspielen ein einzelner, auf sich allein gestellter Spieler das Spielgeschehen nur sehr wenig beeinflussen kann.



    Ob Zufall oder interaktive Entscheidungsprozesse - die Ungewißheit, die der Verlauf eines Spiels in sich birgt, hat sich als Grundlage wissenschaftlicher Modelle der Wirklichkeit bestens bewährt. Vom Spiel und mit dem Spiel lernen, so lautet die Devise. Dabei muß und soll beim "richtigen" Spiel der Spaß nicht auf der Strecke bleiben.



    NOTE:

    Dr. Jörg Bewersdorff promovierte an der Universität Bonn in Mathematik und ist seit mehreren Jahren für die Entwicklung zuständiges Mitglied der Geschäftsleitung bei den Firmen MEGA-Spielgeräte in Limburg und der GeWeTe in Mechernich.

    In seinem 1998 erschienenen Buch " GLÜCK , LOGIK UND BLUFF: Mathematik im Spiel - Methoden, Ergebnisse und Grenzen ", erörtert er anschaulich und auch für Nicht-Mathematiker verständlich viele der hier angeführten (Bei-)Spiele.



    Quelle: CASINO-Magazin 15.03.2000

    http://www.casino-magazin.de/archiv2000/03_00.htm

  2. #2
    Spitfire ist offline Neuer Benutzer
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    Standard

    Das ist ein ziemlich interessanter Artikel. Ich habe in meinem Studium auch Spieltheorien gehabt, aber dabei nicht wirklich an Casinospiele gedacht.



    Glückspiele sind halt Glückspiele. Aber wenn man die optimale Strategie zum entsprechenden Spiel hat, dann gibt man dem Ganzen einen kräftigen Ruck in Richtung Glück.



    Also ich spiele nach der BlackJack Tabelle. Darin sind die Aktionen aufgezeigt die man machen sollte, um einen größeren Vorteil als die Bank zu haben.




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